Philippus News Ausgabe 2/2021
Ein Gespräch mit Salwa Salman und Maala Thomas
Unsere Mitarbeiterin Ruth Möller konnte im Rahmen der Reihe Zoom-Talk, veranstaltet von der Vineyard Bewegung, Salwa Salman und Maala Thomas interviewen. Beide Frauen leben Luftlinie weniger als 100 km voneinander entfernt, aber in einem ganz verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld. Sie kennen sich schon sehr lange und pflegen eine enge Freundschaft. Maala hilft ihrem Mann Evan beim Hirtendienst in der Gemeinde Beit Asaph in Netanya, Salwa ihrem Mann Nihad in der Bethlehem Immanuel Church in Bethlehem.
Hier eine kurze Zusammenfassung des Gesprächs.
Maala und Salwa
Maala ist Lehrerin und arbeitete bis zur Rente in ihrem Beruf. Sie ist in Finnland geboren und in Neuseeland aufgewachsen. Nach einer wilden Zeit als
Hippie kam sie zum Glauben an Jesus. Seit Anfang der 80er Jahre lebt sie mit Evan in Israel in Netanya. Beit Asaph ist eine messianisch-jüdische Gemeinde. Sie spiegelt in ihrer Entwicklung auch die messianisch-jüdische Bewegung in Israel wider: Von kleinen Anfängen vor ca. 35 Jahren wuchs sie zu einer Gemeinde mit über 200 Mitgliedern – Menschen mit ganz verschiedenen nationalen und ethnischen Hintergründen.
Nachdem durch Corona auch in Israel durch den Lockdown lange keine Gottesdienste erlaubt waren, erfolgte eine radikale Umstrukturierung von Beit Asaph. Weg von den im Gemeindeleben zentralen Schabbat-Gottesdiensten hin zu vielen „Lifegroups“, d. h. zu dezentralen Gemeinde- und Lebensräumen, wo in den Häusern der Mitglieder Gottesdienste gefeiert werden. Dementsprechend änderten sich auch das Leben und die Aufgaben von Maala als Leiterin der Gemeinde. Nicht mehr das Vorbereiten eines wöchentlichen Gottesdienstes, sondern die Begleitung, Schulung, Förderung und das Mentoring von Lifegroups-Leitern bestimmen nun ihren Dienst. Die Lifegroups sind selbstständig und wollen in ihre Nachbarschaft hineinwirken. Man trifft sich in den Häusern hier und dort, und in regelmäßigen, wenn auch größeren Abständen als gesamte Gemeinde. Beziehungen stehen in Beit Asaph an oberer Stelle und sind wichtiger als Strukturen.
Und so ist Maala mit Evan oft unterwegs in und mit den Lifegroups.
Wenn Maala eine Auszeit und Erholung braucht, geht sie am liebsten ans Meer – zum Strand von Netanya.
Netanya
Salwa ist in den palästinensischen Gebieten in Israel in einer arabisch-christlichen Familie aufgewachsen und sie entschied sich schon als Kind, Jesusnachzufolgen. Mit ihrem Mann Nihad gründete sie die Immanuel Church Bethlehem, die heute die größte evangelikale Gemeinde in der Provinz Bethlehem ist.
Die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns haben das Leben in der Westbank, d. h. in den palästinensischen Gebieten in den letzten Monaten erschwert. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Not, besonders auch in den finanzschwachen Familien, hat zugenommen. Salwas Herz schlägt besonders für die Frauen. Wie überall tragen die Frauen in Krisen- und Kriegssituationen oft die größere Last. In persönlichen Beziehungen und Freundschaften steht Salwa den Frauen aus der Kirche und Nachbarschaft bei. Sie organisiert gemeinsame Treffen oder Ausflüge in die Umgebung, ermutigt die Frauen und steht im Gebet und mit Rat und Tat beiseite.
Doch auch sie selbst erlebt Anfechtungen. Denn Corona hat noch eine ganz andere Auswirkung auf die Gemeinde und den Ort Bethlehem: Wer immer die Ressourcen, die Ausbildung und die Beziehungen hat, emigriert ins Ausland. Die Menschen in den palästinensischen Gebieten sehen für sich keine Zukunft mehr. Junge Leute haben praktisch keine beruflichen Perspektiven. So haben auch schon viele Freunde und Gemeindemitglieder Bethlehem für immer verlassen. Die Zahl der Christen am Ort der Geburt Jesu sinkt dramatisch, obwohl dort früher die Einheimischen mehrheitlich Christen waren. Auch für Salwa und Nihad kommt immer wieder die Frage und die Möglichkeit auf, ob sie z. B. in die USA gehen. Es schmerzt, wenn Familien, die man im Glauben begleitet und gefördert, in die man Zeit und Gebet investiert hat, die Gemeinde verlassen.
Jedoch steht für beide fest: Je dunkler die Zeiten, desto heller soll das Licht Jesu gerade hier leuchten. „Wir dürfen das Licht nicht erlöschen lassen“, sagt Salwa, „die Menschen in unserer Umgebung sollen wissen, wo sie hingehen können, wenn sie Hilfe brauchen. Das ist unser Auftrag. Dem bleiben wir treu.“ Sie sind überzeugt: Gott wird seine Gemeinde nicht im Stich lassen. Wenn die Christen gehen, wird er andere aus der muslimischen Gemeinschaft berufen und zum Glauben führen. An dieser Hoffnung halten sie fest.
Salwas Lieblings- und Rückzugsort ist ihr Balkon. Den hat sie begrünt, und es wachsen und blühen dort allerlei Pflanzen und kleine Büsche. Sogar Vögel nisten in ihren Ästen. Die palästinensischen Gebiete darf sie zurzeit nicht verlassen, das Meer ist für sie in diesen Tagen unerreichbar und bleibt ein Sehnsuchtsort.
Überhaupt ist es für Salwa und Maala momentan nicht möglich, sich persönlich zu treffen. Denn auch Maala darf nicht ohne Genehmigung in die Westbank fahren – und der Besuch von Freunden wird nicht als Grund für eine Genehmigung akzeptiert, sondern ist eher suspekt. Aber in ihrer Freundschaft und als Glaubensschwestern bleiben sie sich dennoch treu.
Auch die Verbundenheit der beiden Gemeinden, der messianisch-jüdischen Beit Asaph-Gemeinde und der arabischen Immanuel Bethlehem Church, wird nicht immer positiv aufgenommen. Beide Frauen haben auch schon aus den eigenen Reihen Angriffe, bis hin zu Austritten erlebt, weil sie jeweils „mit dem Feind“ Gottesdienst feierten. Und doch: „Auch das Licht der Versöhnung muss desto heller leuchten, je dunkler die Zeiten sind.“
Ich war beeindruckt und inspiriert von der Leidenschaft der beiden Frauen für Jesus und für das Reich Gottes. Davon, wie sie sich gegenseitig immer wieder ermutigen und aufbauen. Wie sie über räumliche, kulturelle und gesellschaftliche Distanzen die Einheit des Leibes Christi leben. Von den sichtbaren Früchten ihres Glaubens. Sie sind fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Trübsal und beharrlich im Gebet. (Römer 12,12)