top of page

Israel - ein Volk wie jedes andere?

Anton Bergmair


Zum Thema „Israel“ bleibt es keinem Christen erspart, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ratsam wäre es allemal, dass sich diese dann mit dem biblischen Befund deckt, zumindest nach bestem Gewissen. Persönlich habe ich dabei verschiedene Phasen durchlitten.


Von Israel begeistert


In der ersten Hälfte der 1960er-Jahre, also noch vor den Sechstagekrieg 1967, hat sich eine Reisegesellschaft aus der Freien Christengemeinde Salzburg zu einer mehrwöchigen Busreise nach Israel aufgemacht. Als Kind erlebte ich mit, wie anschließend darüber in der Gemeinde berichtet wurde. Lichtbilder waren für uns damals noch ein beeindruckendes Medienereignis. Der geistliche Hintergrund - warum ist Israel überhaupt ein Thema in der Freien Christengemeinde? - waren die Aussagen der Bibel über das Weltgeschehen der Vergangenheit, Gegenwart und besonders auch der Zukunft. Und Israel ist da stets erwähnt, besonders Jerusalem. Und als 1967 israelische Soldaten an der Klagemauer standen, war vielen von uns Christen sehr bewusst: „Jesus kommt bald! Vielleicht schon heute! Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht. Wir waren begeistert.

Von Israel und verwirrten Christen verunsichert


Als die Jahre ins Land zogen und die Wiederkunft Jesu bis heute ausgeblieben ist, Israel 1973 den Jom-Kippur-Krieg verloren hat, sich auch viele politische Ungerechtigkeiten zwischen den Völkern des Nahen Ostens angereichert haben und es heute kaum noch ein neutraler Beobachter schafft, auf der einen oder andren Seite zu stehen, kam eine resignative Phase der Unsicherheit.

Durch die Beobachtung von eifrigen Christen aus den Nationen wurde alles noch verstärkt, weil sie sich daran gemacht haben, jüdische Feste zu feiern. Dies ist nach meiner Erkenntnis der Schrift ein überzeichnendes Verhalten (und wird im Übrigen von messianischen Juden selbst strikt abgelehnt). Das hat in mir einen inneren Widerstand ausgelöst, so dass ich nicht weit davon entfernt war, mit dem Thema „Israel“ komplett Schluss zu machen. Leider ist es vielen Christen tatsächlich so gegangen, zumal, je nachdem aus welchem christlichen Lager eine Lehre kommt, extreme Aussagen die Christenheit polarisieren. Da ist einerseits die Behauptung: Israel wäre als Volk Gottes des Alten Testamentes heute durch die Gemeinde, dem Volk Gottes des Neuen Testamentes, ersetzt. Israel wird hier in seiner Berufung also abgeschrieben. Auf der anderen Seite dann das andere Extrem: Ein Jude müsse sich gar nicht zu Jesus bekehren, sie wären als Volk Gottes gerettet. So als hätte Jesus nie zu einem Juden (Nikodemus) gesagt, Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen!

Von Israel gefordert


Die Frage ist: Kann Gott uns durch sein Wort zu einem ausgewogenen und gesunden Verhältnis zu Israel führen und uns in der Folge den Bereich unserer Verantwortung als Christen zeigen?

Folgende Überlegung hat mir dabei stark geholfen: Israel ist, als von Gott berufenes Volk, eben so wenig fehlerlos wie ich es selbst bin, wie es mein Verhältnis zu meinem Nächsten ist, wie es meine Ehe ist, meine Familie, meine Gemeinde oder auch der Staat in dem ich Bürger bin. Dennoch will Gott, dass ich für alle diese sehr fehleranfälligen Bereiche bete und für sie einstehe. Warum? Weil es von Gott gesetzte und den Menschen anvertraute Einrichtungen sind. Sie sind gewissermaßen „Verantwortungsebenen“ die auch der säkularen Welt von Gott zugedacht sind. Durch sie will Gott ein gesellschaftliches Gelingen schenken und in Folge auch den Weg für das Evangelium und dessen Verkündigung ebnen.


Oder anders ausgedrückt: Selbst wenn ein Atheist, vielleicht ohne es zu wissen, göttliche Prinzipien anwendet, hat er davon Vorteile (wenn auch noch nicht das ewige Leben, das nur im Glauben an Jesus geschenkt sein kann). Und wenn ein eifriger Christ göttliche Prinzipien missachtet, hat er sich selbst geschadet, trotz seiner Gläubigkeit (wenn er auch im Glauben an Jesus gerettet ist, denn aus Gnade ist er gerettet).

Als Beispiel: Gott sagt nirgends: Ehre den perfekten Vater und die perfekte Mutter. Sondern er sagt: „Ehre Vater und Mutter“. Es geht also, nach dem vierten Gebot, jemanden gut, der Vater und Mutter ehrt, weil Elternschaft eine von Gott gewollte Einrichtung ist, die er segnet, unabhängig vom Ideal „perfekt“.

Noch ein Beispiel: Gott sagt nicht: Bete für die Obrigkeit, mit der du politisch einverstanden bist, sondern „bete für die Obrigkeit“. Und: „Jedermann sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan; denn es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott wäre; die vorhandenen aber sind von Gott verordnet. Wer sich also der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt der Ordnung Gottes; die aber widerstreben, ziehen sich selbst die Verurteilung zu. Denn die Herrscher sind nicht wegen guten Werken zu fürchten, sondern wegen bösen! Willst du also die Obrigkeit nicht fürchten, so tue das Gute, dann wirst du Lob von ihr empfangen!“ (Römer 13, 1-3)


Solche Sätze schreibt Paulus vor dem Hintergrund des heidnischen, durchaus brutalen Römischen Reiches! Wenn also Gott eine gewisse Solidarität zur stark säkularen Obrigkeit verlangt - dass wir für sie beten sollen - dann deshalb, damit es uns gut geht und wir ein geordnetes Leben führen können. Gott verwirklicht mit der Einrichtung von Obrigkeit eine segensreiche Absicht mit den jeweiligen Völkern.


Vergleichbar damit will Gott sich durch die Einrichtung, genannt „Israel“, allen Völkern gegenüber als existent beweisen. Gott hat nicht die Germanen oder Kelten erwählt, um sich zunächst durch Propheten und heute durch seinen Sohn Jesus Christus, „dem Fleisch gewordenen Wort Gottes“, zu offenbaren.

Israel hat sich dabei durch seine ganze Geschichte als störrisch und für Gott enttäuschend erwiesen. Ähnlich wie es Jesus auch mit seinen Jüngern erlebt hat und heute mit uns, jedenfalls mit mir. Jesus hat mich aber wegen meiner Fehler nicht verworfen. Er bereut es nicht, mich berufen zu haben.

Niemand soll jemanden, der von Gott berufen ist, allzu schnell abschreiben! Gott hat Wege der Zubereitung und wird, wenn auch oft durch heftige Gerichte und Schwierigkeiten hindurch - sowohl mit mir, meiner Ehe und Familie, meiner Gemeinde, oder dem Staat, in dem ich lebe, als auch mit Israel - seinen Weg gehen.

Das bedeutet nun nicht, dass am Ende Gottes Absicht auf allen Ebenen und bei jedem gelingt, oder dass es manchmal nicht mehr als 2000 Jahre Umwege braucht. Es bedeutet nur, dass Gott seine Absicht nie aufgegeben hat. Sie bleibt, kann aber individuell scheitern, wenn der freie Wille des Menschen sich verweigern, ja sogar die Front wechselt und sich dämonischen Einflüssen ausliefert. Wenn das passiert - was jetzt?


Israel – ein Volk wie jedes andere?


Es gilt in diesem Falle für so jemanden erst recht und ganz besonders intensiv zu beten, Gottes Wort zu verkünden, alles zu tun, um im eigenen Verhalten die Absicht Gottes demjenigen um so deutlicher zu vermitteln. Oder wie es Paulus sagt: „Ich frage nun: Sind sie denn darum gestrauchelt, damit sie fallen sollten? Das sei ferne! Sondern durch ihren Fall wurde das Heil den Heiden zuteil, damit sie diesen nacheifern möchten. Wenn aber ihr Fall der Reichtum der Welt und ihr Verlust der Reichtum der Heiden geworden ist, wie viel mehr ihre volle Zahl. Zu euch, den Heiden, rede ich (da ich nun eben Heidenapostel bin, rühme ich mein Amt, ob ich nicht etwa meine Volksgenossen zum Nacheifern reizen und etliche von ihnen erretten könnte); darum sage ich: Wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt geworden ist, was würde ihre Annahme anderes sein, als Leben aus den Toten? (Römer 11, 11-15)


Ist Israel also ein Volk wie jedes andere? Ich selbst bin nicht wie jeder andere, meine Ehe ist nicht wie jede andere, meine Gemeinde ist nicht wie jede andere, mein Land ist nicht wie jedes andere und Israel ist nicht ein Volk wie jedes andere. Alle diese Dinge unterscheiden sich vom Rest durch die Verantwortung, die ich persönlich darin habe. Sie sind sind mir im Einzelnen und uns allen im Miteinander anvertraut.

In diesem Sinne sind wir aufgefordert für Israel zu sein, und am allermeisten solche Israelis zu unterstützen, die ihrer Zeit voraus sind und bereits jetzt an Jesus als den Messias glauben - eine Gegebenheit, die dem Großteil Israels erst nach viel endzeitlicher Not zugänglich werden wird.



Anton Bergmair, geb. 1956, verheiratet, vier Kinder ein Pflegekind, sechs Enkelkinder. Gemeindegründer und Pastor seit 1982. Redakteur der Zeitschrift "ImPuls" der Freien Christengemeinden in Österreich. Anton Bergmair war ab 1992 27 Jahre lang Sekretär der Freien Christengemeinde in Österreich und in dieser Funktion beteiligt an der Gründung der staatlich anerkannten Freikirchen in Österreich und deren erster Schriftführer.

89 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page